Die Nutzung von Big Data und Analytics verändert die strategische Kommunikation in Unternehmen wie auch die Rolle von Kommunikatoren selbst. Zum einen müssen Kommunikationsprozesse neu geplant und gesteuert werden. Zum anderen werden Kommunikatoren durch die Echtzeit-Auswertung von Informationen zu Partnern des Managements bei der Entscheidungsunterstützung unter Unsicherheiten in unternehmenskritischen Situationen.
Unternehmen treffen ihre unternehmerischen Entscheidungen zunehmend datengetrieben. Durch digitale Technologien entstehen immer neue „Sensoren“, die Informationen liefern und für digitale Prozesse genutzt werden können. Dies ermöglicht erstmals eine informelle Erhebung über den gesamten Prozess von der Produktentwicklung, über Vertrieb, Marketing und Unternehmenskommunikation. Durch die Selbstoptimierung der Unternehmensprozesse lässt sich die Steuerung der Wertschöpfung besser an sich verändernde Markt-, Wettbewerbs- oder regulatorischen Bedingungen anpassen.
Hinzu kommen gesellschaftliche Trends und Veränderungen, getrieben durch unterschiedlichste Stakeholdergruppen, die Unternehmen immer weniger ignorieren können, um ihr Geschäftsmodel nicht zu gefährden. Deshalb beobachten Unternehmen und Organisationen heute rund um die Uhr Nachrichten und Diskussionen auf der ganzen Welt. Klassische Analyse- und Reporting-Systeme unterstützen die Unternehmenskommunikation dabei, den Überblick zu behalten und relevante von irrelevanten Informationen zu trennen. Gleichzeitig verändern digitale Technologien die klassischen Instrumente der Unternehmenskommunikation und erhöhen nachhaltig die Anforderungen an eine professionelle Unternehmenskommunikation. Um auch in Zukunft den Dialog mit Stakeholdern führen zu können, muss sich die Unternehmenskommunikation mit Big Data und Technologien rund um künstliche Intelligenz sowie neuen Kommunikationsplattformen nachhaltig auseinandersetzen. Dadurch wird die Unternehmenskommunikation zwangsläufig datengetriebener und automatisierter.
Zu dieser Einschätzung kommt auch der Europäische Kommunikationsmonitor 2016. Erstmalig wurden in diesem Jahr Kenntnisse, die wahrgenommene Bedeutung sowie die Nutzung von großen Datenmengen in der Unternehmenskommunikation erforscht. Für diese erste Bestandsaufnahme wurden mehr als 2.700 Fachleute in 43 europäischen Ländern befragt. Von den Ergebnissen der Erhebung leiten sich Handlungsfelder und Implikationen für die Unternehmenskommunikation im Umgang mit Echtzeit-Monitoring und Datenanalytik als Grundlage für die Entwicklung von Strategien zur Absicherung der Unternehmensreputation ab. Doch auch wenn drei von vier Kommunikationsprofis in Europa (73 Prozent) glauben, dass Big Data ihren Beruf verändern wird, zeigt die Studie, dass Big Data in der Praxis bisher wenig genutzt wird. Von elf möglichen Gründen werden der Mangel an analytischen Fähigkeiten (49 Prozent), zu wenig Zeit (45 Prozent), der Mangel an technischen Fähigkeiten (37 Prozent), Budgetgründe (24 Prozent) und organisatorischen Barrieren (23 Prozent) als die größten Hürden für die Nutzung von Big Data in der Unternehmenskommunikation genutzt. Hinzu kommen nun die auf Big Data aufsetzenden Möglichkeiten, Künstliche Intelligenz in der Analyse einzusetzen.
Grundsätzlich geht es bei Big Data und Analytics um die strukturierte Erfassung, Analyse und Interpretation von großen Datenmengen. Die Daten, die dafür analysiert werden können, wachsen und verändern sich mit atemberaubender Geschwindigkeit. Die Unternehmenskommunikation ist deshalb herausgefordert, sehr große Datenmengen, zunehmend in Echtzeit, zu erfassen und so zu interpretieren, dass zuverlässige Entscheidungsgrundlagen entstehen, die das Management zielgerichtet und effizient bei der Bewertung und Qualifizierung von unternehmerischen Entscheidungen unterstützen. Dazu muss die Unternehmenskommunikation entscheiden, in welcher Weise Big Data für die strategische Kommunikation genutzt werden kann, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, um Big Data erfolgreich einzusetzen und in welchen Bereichen Big Data-Anwendungen zum Einsatz kommen sollen. Damit verändert sich auch der Prozess wie Kommunikation auf der Basis von Big Data geplant und gesteuert wird. Hinzu kommt die Frage, welche Big Dat- und Analytics-Anwendungen verwendet und wie orchestriert werden. Aktuelle Vorgehensmodelle skizzieren einen idealtypischen Prozess, der sieben Schritte umfasst: 1. Zieldefinition, 2. Datengenerierung, 3. Datenbereinigung, 4. Datentransformation, 5. Datenanalyse, 6. Evaluation und 7. Ergebnisaufbereitung. Jede Unternehmenskommunikation muss diesen Prozess an die eigenen Bedingungen anpassen und implementieren. Dies ist eine anspruchsvolle und komplexe Aufgabe, die mit Ausprobieren und Feedbackschleifen verbunden ist, bis der Gesamtprozess seine Wirksamkeit entfalten kann und verlässliche Ergebnisse gewonnen werden können. Jeder dieser Schritte des Vorgehensmodels ist mit spezifischen Herausforderungen verbunden. Da der vermeintliche Mehrwert von Big Data in der Auswertung von großen Datenmengen liegt, kommt der Datenanalyse im Gesamtprozess eine besondere Rolle zu.
Big Data Analytics kann dabei in vier Komplexitätsstufen unterschieden werden. Die deskriptive Analyse liefert Informationen zu einer beliebigen Variable, beispielsweise die Anzahl von „Likes“ oder „Page Views“. Die dazu gesammelten Informationen können entweder in Echtzeit ausgewertet oder retrospektiv betrachtet werden. Die diagnostische Analyse geht einen Schritt weiter und ermöglicht eine tiefere Analyse von Gründen, Zusammenhängen und Mustern. Auf der Basis von Erfahrungsdaten und unter Verwendung von Algorithmen lässt sich zum Beispiel die Viralität eines Themas bzw. die Karriere einer Nachricht zusammen mit den Gründen für deren Entwicklung darstellen. Die prädiktive Datenanalyse geht noch einen Schritt weiter und ermöglicht zukunftsbezogene Aussagen. Damit wird es möglich, eine Vorhersage zu Wahrscheinlichkeiten von zukünftigen Ereignissen zu treffen. Mehrere Prädikatoren werden zu einem Vorhersagemodell kombiniert, um künftige Wahrscheinlichkeiten mit einem akzeptablen Maß an Zuverlässigkeit zu analysieren. Bei prädikativen Analysen werden Daten gesammelt, in ein statistisches Modell überführt, um Ableitungen und Vorhersagen zu treffen. Geschieht dieser Prozess in Echtzeit, wird das Modell stetig validiert und angepasst, wenn zusätzliche Daten verfügbar sind, mit denen sich das Modell weiter anreichern lässt. In der Praxis halten prädiktive Datenanalysen zunehmend in der Forschung oder im industriellen Produktionsumfeld à la Industrie 4.0 Einzug. Allerdings werden dafür Datenmengen in einem Umfang benötigt, die so oft gar nicht vorliegen, um mit prädikativen Analysen entsprechende Vorhersagen treffen zu können. Deshalb haben prädiktive Analysen in der Unternehmenskommunikation aktuell noch hohen Seltenheitswert, auch wenn zukünftig neue Anwendungen für spezifische Einsatzbereiche auf den Markt kommen werden. Experten sehen Anwendungsbereiche vor allem im Onlinemarketing (kumulierte Verkaufsdaten um Umsatzverläufe genauer prognostizieren), im Issue- und Stakeholder-Management (Ableitung von Einstellungen und Verhalten in Sondersituationen oder in Krisen) oder im Reputationsmanagement (Verbreitung und Wahrnehmung von Themen Produkt- und Markenbotschaften).
Die Königsdisziplin ist die präskriptive Analyse. Sie liefert nicht nur Beschreibungen oder Vorhersagen, sondern gibt konkrete Entscheidungsunterstützung und daraus abgeleitete Handlungsempfehlungen. Die Voraussetzung dafür ist eine Verknüpfung unterschiedlicher Datensilos entlang eines Kommunikationsprozesses, wie etwa zwischen einem Customer-Relationship-Management-System, Systemen der Marketing-Automation oder zur Verbreitung von Inhalten und Sentiment- oder Netzwerkanalysen. Präskriptive Analysen sind sowohl mit deskriptiven, diagnostischen als auch mit prädiktiven Analysen verwandt. Während deskriptive und diagnostischen Analysen einen Einblick vermitteln, was geschehen ist, und prädiktive Analysen helfen, mögliche künftige Ereignisse zu modellieren und vorauszusagen, bemühen sich präskriptive Analysen darum, auf Grundlage bekannter Parameter optimale Lösungen oder das beste Ergebnis unter verschiedenen zur Auswahl stehenden Möglichkeiten zu ermitteln. Präskriptive Analysen können darüber hinaus Entscheidungsoptionen vorschlagen, wie sich aus einer zukünftigen Gelegenheit ein Vorteil ziehen oder ein zukünftiges Risiko entschärfen lässt sowie die Folgen von Entscheidungsoptionen veranschaulichen. Praktisch können präskriptive Analysen kontinuierlich und automatisch neue Daten verarbeiten, um die Genauigkeit von Vorhersagen zu erhöhen und bessere Entscheidungsoptionen zu bieten. Fortschritte bei der Verarbeitungsgeschwindigkeit und die Entwicklung von komplexen mathematischen Algorithmen, die auf die Datensätze angewendet werden, haben die präskriptive Analyse möglich gemacht. Zu den in präskriptive Analysen genutzten spezifischen Techniken gehören unter anderem Optimierung, Simulation, Spieltheorie und entscheidungsanalytische Methoden. Präskriptive Analyse sind heute eher im Bereich von Business Analytics (BA), als im Bereich der Unternehmenskommunikation zu finden. Allerdings ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass präskriptive Analysen in den nächsten Jahren ebenfalls in der Unternehmenskommunikation eingesetzt werden, um optimale Vorgehensweisen für Sondersituationen und Fragestellungen zu finden. Die rasante Entwicklung datenbasierter und automatisierter Big Data- und KI-Anwendungen, die derzeit vor allem für die Optimierung industrieller Fertigungsprozesse verwendet werden, ist richtungsweisend und zeigt über welche Möglichkeiten die Unternehmenskommunikation in naher Zukunft verfügen wird, um die Wertschöpfung in Unternehmen nachhaltig zu verbessern.