Corporate Communication als Vermittler einer ethischen, wertorientierten Unternehmenskultur

Mit der Einführung eines internen Meldesystems zur Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie ist es nicht getan. Vielmehr gilt, was für Compliance-Management-Systeme im Allgemeinen gilt: Es reicht nicht aus, einen Compliance-Prozess zu implementieren und die Mitarbeiter darüber im Intranet oder im Newsletter zu informieren. Damit wird allenfalls den Anforderungen des Gesetzgebers Genüge getan. Abträgliche Nebenwirkungen sind jedoch vorprogrammiert und werden nicht lange auf sich warten lassen.

Denn spätestens seit Verabschiedung der EU-Whistleblower-Richtlinie wurden Stimmen hörbar, die vor einer Denunziationskultur, vor Nestbeschmutzern und Fake-Anschuldigungen warnen. Befürchtet wird, dass Meldesysteme für organisationsinterne Ränkespiele und Intrigen genutzt werden könnten. Solche Bedenken sind vor allem in Deutschland vernehmbar, da hierzulande das Thema grundsätzlich neueren Datums ist. Denn im Unterschied zu US-amerikanischen Unternehmen oder DAX-Konzernen gibt es bisher im deutschen Mittelstand, bei Behörden oder Universitäten keine Tradition im Umgang mit Whistleblowing-Systemen. Außerdem haben zwei totalitäre Diktaturen mit ihren Überwachungsapparaten im kulturellen Bewusstsein vieler Menschen Spuren hinterlassen. Um Ressentiments gegenüber internen Meldesystemen abzubauen, bedarf es einer klaren, kommunikativen Einordnung: Es muss deutlich werden, welche Ziele ein Unternehmen mit der Einführung eines Meldesystems verbindet.

Was bisher auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruhte, wird für Unternehmen und Organisationen des öffentlichen Rechts nun zur Pflicht.

Immerhin haben medienwirksame Enthüllungsskandale in den letzten Jahren dazu geführt, dass sich „Whistleblowing“ als Begriff etabliert hat und auch außerhalb der Politik als ein wirksames und sinnvolles Instrument verstanden wird, um auf Missstände und Fehlverhalten aufmerksam zu machen. Was bisher auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruhte, wird für Unternehmen und Organisationen des öffentlichen Rechts nun zur Pflicht.

Damit interne Meldesysteme Unternehmen, quasi als Frühwarnsysteme, vor finanziellen Risiken und Reputationsverlusten effektiv schützen können, braucht es eine ethische und wertorientierte Unternehmenskultur, die vom Top-Management getragen und vorgelebt wird. Dabei gilt es, eine Compliance-Kultur zu entwickeln – soweit nicht bereits vorhanden – und diese mit der Unternehmenskultur so in Einklang zu bringen, dass sich Mitarbeiter mit den Zielen und Werten identifizieren. Nur so können sich Hinweisgeber sicher sein, dass ihre Meldungen von Regel- und Rechtsverstößen erwünscht sind.

Eine zentrale Rolle dabei spielt die Unternehmenskommunikation. Sie hilft bei einer effektiven und akzeptanzfördernden Einführung einer Whistleblower-Plattform. Sie vermittelt dauerhaft eine ethische, wertorientierte Unternehmenskultur und fördert so das Bewusstsein dafür, dass eine aktive Nutzung des Meldesystems die Unternehmenskultur positiv beeinflusst. So leistet die Unternehmenskommunikation einen messbaren Wertbeitrag dafür, Fehlverhalten und daraus resultierende Reputationsschäden zu minimieren. Denn das vorrangigste Ziel eines internen Meldesystems ist nicht die Untersuchung eines gemeldeten Fehlverhaltens, sondern eine präventive Verhinderung von Regelverstößen.

Doch bevor das neue Frühwarnsystem seine Wirkung entfalten kann, muss es als Gesamtprozess entwickelt und eingeführt werden. Auch dabei spielt die Unternehmenskommunikation eine wichtige Rolle.

Gemeinsam mit dem Management, der Rechts-, Personal-, IT-Abteilung sowie dem Betriebsrat navigiert die Unternehmenskommunikation ein interdisziplinäres Team durch den Konzeptions- und Implementierungsprozess eines internen Meldesystems.

Eine erfolgreiche Implementierung basiert darauf, dass Wissen und Fähigkeiten aus allen Bereichen des Unternehmens miteinander verflochten werden. Wichtig ist vor allem das Wissen über Werte, Einstellungen und Wahrnehmung der Beteiligten, ihr Verständnis vom Sinn und Zweck des Unternehmens sowie die Wahrnehmung und die Bewertung von dessen Führung in Verbindung mit Vorbildern und Leitprinzipien. Dabei geht es nicht um ein wildes Sammeln von Meinungen und Erfahrungen, sondern um ein orientierungsgebendes Destillat, den „Purpose“ des Unternehmens.

Der Umgang mit den Vorstellungswelten, den ‚minds of men‘, wird darum für die erfolgreiche Einführung und den Betrieb von Whistleblowing-Plattformen zur notwendigen Bedingung. Ohne Akzeptanz und Legitimität fehlt Gesetz, Verhaltenskodex und Technik der „Geist“. Ohne Orientierung gebendes und ethisch führendes Management, ohne Compliance-Kultur, ohne zur ethischen Abwägung und moralischen Urteilen befähigte Mitarbeiter nützt auch ein internes Meldesystem nichts. Und wenn schließlich die Rechtsabteilung die Hinweise nicht schnell und sicher zu bearbeiten weiß, der Whistleblower zu lang auf einen Bearbeitungsstand warten muss oder sich verschaukelt fühlt, droht der Gang an die Öffentlichkeit. Zu diesem Zeitpunkt ist das Unternehmen aber bereits 0:3 im Rückstand.

Kommunikatoren sind darum als Modellierer der Unternehmens- und Organisationskultur gefordert. Bezüglich der unternehmenskulturellen „Großfragen“ sowie öffentlicher Fragen des Zeitgeistes ist die Unternehmenskommunikation der Allrounder.

Die Kommunikation fügt die impliziten und expliziten Wissensbestände aus allen Bereichen des Unternehmens zusammen und unterstützt das Management dabei, diese nach den obersten Prinzipien des Unternehmens zu ordnen.

Dieser Prozess benötigt Respekt und Kenntnis von der Eigenlogik des Unternehmens. Denn potenziell aufkommender Dissens ist häufig unvermeidlich. Er ist zwar häufig auch produktiv, muss aber durch erfahrene Kommunikatoren verständnisvoll verhandelt werden. Gefragt sind also Kommunikatoren, die querschnittig denken können und über eine hohe Moderations- und Dialogbegabung verfügen.

Gelingt Unternehmen unter den beschriebenen Bedingungen die Einführung eines internen Meldesystems, ist nicht nur ein wichtiger Schritt bei der rechtlichen Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie gegangen. Unternehmen navigieren mit ihrer Unternehmenskommunikation trittsicher und konfliktfreier durch eine zunehmend moralisierende und skandalisierende Gesellschaft. Denn „Sagen“ und „Tun“ befinden sich im Einklang in einer glaubhaften ethischen, wertorientierten Unternehmenskultur.

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